Ausgabe 04/2016 · Wirtschaft

Eine amerikanische Karriere in Landsberg

Hollywood schreibt das Jahr 1953. Audrey Hepburn und Gregory Peck lassen sich durch die Straßen Roms treiben. Eng umschlungen auf einer Vespa. Junge Prinzessin auf Staatsbesuch entflieht genervt dem höfischen Protokoll, trifft einen Reporter, der über den hohen Gast berichten soll. Die beiden verbringen einen Tag voll Dolce Vita und Amore. Das ist die Geschichte des Films „Ein Herz und eine Krone“ im Stenogrammstil. „Roman Holiday“ – so der Originaltitel – brachte auf der Kinoleinwand eine Romanze unters Volk, die bis heute anhält: Die Liebe – nicht nur – der Italiener zur Vespa, einem fahrenden Symbol für Freiheit und unbeschwertes Lebensgefühl. Der Scooter made in Italy sollte gut 50 Jahre später zwei Landsberger auf eine Geschäftsidee bringen, die ihnen heute Millionenumsätze in zweistelliger Höhe beschert.

Die ganze Geschichte ist undenkbar ohne Italien. Es begann in Pontedera, im Land, wo die Zitronen blühen. Der toskanische Unternehmer Rinaldo Piaggio baute alles, was sich zu Wasser, an Land und in der Luft bewegen kann. 1884 fing er mit Schiffen an, bevor in rascher Folge hinzukam, was gerade in Mode war. Zunächst die Eisenbahn, bald auch Flugzeuge. Während des Zweiten Weltkrieges lieferte man für das Militär. Deshalb stand das Unternehmen 1945 am Abgrund: Die Alliierten verboten über Nacht dem postfaschistischen Italien, Rüstungsgüter zu produzieren. Piaggio besann sich auf eine elementare Tugend der Mangelwirtschaft: Dinge, die nicht mehr verwendbar sind, sollen die Basis für etwas völlig Neues schaffen. Anlassermotoren für Flugzeuge trieben nun ein Zweirad an. Aus einem Fahrwerk wurde die Lenkergabel. Zweckentfremdete Bleche formten die Verkleidung eines Fortbewegungsmittels, das den Anforderungen der Zeit ideal entsprach: Einfach zu sein, günstig im Erwerb und praktisch. Mobilität im Nachkriegsitalien, das hieß vom Brenner bis Palermo: Vespa. So wurde die toskanische Provinz Pisa zur Geburtsstätte eines Kults, der heutzutage mitunter skurrile Blüten treibt: Für eine Vespa des Ursprungsjahrgangs 1946 soll ein Liebhaber zuletzt verrückte 230.000 Euro hingeblättert haben.

aus Ausgabe 04/2016

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