Der jüdische Friedhof in Mönchsdeggingen ist eine Gedenkstätte, die schon lange niemand mehr besucht, den noch eine persönliche Erinnerung mit einem der dort Beigesetzten verbinden könnte. Die Zeiten, als jüdisches Leben in dem kleinen Riesdorf allgegenwärtig war, sind seit fast 140 Jahren Vergangenheit. Wer aber trägt die Erinnerung ins Heute, wenn es kein jüdisches Leben mehr gibt in den einstmals blühenden jüdischen Landgemeinden im heutigen Bayerisch-Schwaben? Die Spurensuche führt zu Menschen, denen die jüdische Vergangenheit ihrer Heimat keine Ruhe lässt, und erzählt Geschichten, die auf Grabsteinen verewigt sind oder erst mühselig ausfindig gemacht werden müssen. Von Jürgen Schmid (Text) und Felix Baptist (Bild).
Warum kann der Geschichtsbewusste im Jahr 2018 über den Friedhof der ehemals Israelitischen Kultusgemeinde Mönchsdeggingen spazieren – und auf den 143 Grabsteinen (so er des Hebräischen mächtig ist) von dem Kolonialwarenhändler Seligmann Rosenbaum lesen? Oder vom Ledergrossisten Salomon Loew Waitzfelder, dessen Sohn Ezekiel in die USA auswanderte, um in Georgia eine Textilfabrik zu gründen? Wo doch Isak Sternberger schon 1898 beim Besuch am Grab seines Vaters Hirz Sternberger, geborener Naphtali Herz, Chasan (das heißt: Kantor und Vorbeter) in der Synagoge seines Rieser Geburtsorts, eine „große Sorge“ beschlich beim Gedanken, „wie diese heilige Stätte nach einigen Jahrzehnten aussehen wird“.

https://www.edition-schwaben.de/022018-2/

Ausgabe 02/2018 · edition:schwaben
Ein guter Ort
War die Leseprobe zu kurz? Abonnieren Sie jetzt die Edition Schwaben!