Ausgabe 04/2013 · Kirche St. Moritz Augsburg

Es werde Licht. Und es wurde Licht.

„Als ich die Moritzkirche betrat, konnte ich die verborgene Qualität des Raumes fühlen.“ John Pawson

Gotteshäuser sind von jeher ein Spiegelbild des soziokulturellen Wandels. Ihre Architektur beschreibt in der Regel sehr eindrucksvoll, wie sich Kulturen und Gesellschaften im Laufe der Menschheitsgeschichte entwickelt, welche normativen Wert- vorstellungen und welch transzendentaler Überbau das menschliche Denken, Handeln, Verhalten und Fühlen von Zeit zu Zeit geprägt haben. Die ehemalige Augsburger Stiftskirche St. Moritz, 1019 noch außerhalb des Stadtkerns auf halbem Weg zwischen der Basilika zwischen Dom und Basilika St. Ulrich und Afra gegründet, hat in ihrer fast 1000-jährigen Geschichte die Formensprache der Romanik, der Gotik, des Barock sowie nach ihrer Zerstörung in der Bombennacht vom 24. zum 25. Februar 1944, als nurmehr die Außenmauern der Feuersbrunst standhielten, die reduzierte architektonische Ästhetik der Nachkriegsjahre durchlaufen.

Die Anregung zur jüngsten Überformung der Innenräume von St. Moritz kam aus der Kirchengemeinde nach einer sinnstiftenden Installation der Augsburger Künstlerin Juliane Stiegele. Sie hatte 2007 den Auftrag erhalten, „alle im Raum sichtbaren Einbauten, Einfügungen und Möblierungen, die nicht unbedingt zur Aufrechterhaltung der Liturgie vonnöten sind“, zu entfernen oder zu verdecken. Der programmatische Titel ihrer Ausstellung „Void“ (für nichtig erklären, das Nichts) sollte in der zunehmend von Bildern überfluteten Welt ein Anstoß für „visuelles Fasten“ sein. Diese vor sechs Jahren
temporäre Entkleidung der Sakralräume von Talmi, Tand und Trödel löste in der Kirchengemeinde eine geradezu paulinische Erweckungsbewegung aus und inspirierte sie, an den britischen Architekten John Pawson (edition:schwaben 2012) heranzutreten und ihn mit dem Umbau und der Sanierung ihrer Kirche zu beauftragen.

Sie hatten sich einen Minimalisten und Puristen ausgesucht, der als eigenwilliger Künstler gilt, weil er davon beseelt ist, visuelle Reize auf ein Minimum zu reduzieren. Pawson, ein Autodidakt, ist stets auf der Suche nach dem Wesentlichen. Während eines frühen Japanaufenthalts spielte er ernsthaft mit dem Gedanken, in ein buddhistisches Kloster einzutreten. Da sich der Brite keiner gängigen Architekturschule zuordnen lässt, sind es seine Freundschaften zum japanischen Architekten Shiro Kurmata oder zum verstorbenen amerikanischen Bildhauer und Minimalisten Donald Judd, die Rückschlüsse auf seine künstlerischen Wurzeln erlauben. In der Sakralarchitektur würde der Brite wohl die schlichten, cleanen Baukörper der ehemaligen Zisterzienser- klöster Abbaye du Thoronet in der Provence und Fountains Abbey in seiner englischen Heimat Yorkshire als Anschauungsbeispiele gelten lassen.

Was der Kirchengemeinde von St. Moritz Mut machte, John Pawson („Simplicity in architecture and design“) nach Augsburg zu bitten, war neben seiner klaren, stringenten Architektursprache sein persönliches Engagement, mit dem er 2004 das Trappistenkloster Nový Dvu ̊r in Tschechien restauriert und um einen modernen Sakralbau erweitert hatte. Pawsons kontemplatives und geradezu asketisches Bauen sollte sich für die Moritzkirche als Glücksfall erweisen, weil seine Architektur den alten Mauern eine neue Identität verleihen sollte die eine klare Absage an den klerikalen Pomp und die Demonstration von weltlicher Macht ist, wie sie die Institution der römisch-katholischen Kirche und vieler ihrer Würdenträger über Jahrhunderte bis in die Gegenwart ausgekostet haben.

aus Ausgabe 04/2013

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