Was sich im Juni in der noch jungen Spielstätte „Brechtbühne“ abspielte, war so ganz und gar nicht Alltag für das Augsburger Theater. Die Philharmoniker verbeißen sich in ein abruptes, hektisches Klanggefitzel. In ihrer Mitte ein Akkordeon, das in verzerrte, gequälte Tänze miteinstimmt.
Die Bühne: ein Wald aus Mikrofonen. Und am Pult? Nun, jedenfalls steht dort nicht Generalmusikdirektor Dirk Kaftan, der durch Krankheit verhindert ist. Statt seiner schwingt eine große, hagere Gestalt mit leicht verwuscheltem Lockenkranz, schwarzem T-Shirt und beiger Hose den Taktstock. Es ist der Komponist des Werkes selbst: Johannes Kalitzke. Und er muss hier gleich doppelt durchtakten. Während er mit seinen Ohren ganz bei den Musikern ist, folgen seine Augen dem Stummfilm „Die Weber“, der direkt vor ihm auf dem Bildschirm vorbeirauscht. Die Tonaufnahme läuft. Mit dem, was er seinen Musikern an Klängen abverlangt, muss Kalitzke haargenau den Moment im Film treffen, für den er die jeweilige musikalische Sequenz komponiert hat. Das Wort „Time-Code“ fällt ziemlich oft in diesen Tagen. Wer dabei auch noch mitzureden hat, ist der Tonmeister, den das ZDF extra für diese Aufnahmen entsandt hat. Am 28. August wird das Ergebnis ab 23 Uhr auf Arte zu sehen sein: Gerhardt Hauptmanns Theaterstück „Die Weber“, verfilmt im Jahr 1927 von Friedrich Zelnik, mit der neukomponierten Filmmusik von Johannes Kalitzke, eingespielt vom Philharmonischen Orchester in der Brechtbühne. Das Augsburger Publikum durfte das Gesamtkunstwerk kürzlich schon vorab und mit „Live“-Orchestermusik erleben. Am 24. Juni war Premiere in der Brechtbühne.
Mit Augsburgs spannender Vergangenheit im Textil- gewerbe setzt sich das Stadttheater nun schon länger auseinander. Das Schauspiel „Die Weber“, das im vergangenen Jahr auf dem Dierig-Gelände gegeben wurde, war ein echter Publikumsrenner und wurde mehrfach verlängert. Aber nicht nur deshalb will Intendantin Juliane Votteler an diesem heimatlich bedeutsamen Thema weiter festhalten. „Es ist eine wichtige Aufgabe von städtischen Theatern, sich herauszubewegen aus ihrem Schutzgebiet und sich mit dem Leben zu beschäftigen, das sie umgibt. Damit die Menschen auch begreifen, dass ihr Leben nichts anderes ist als das, was wir auf der Bühne aufführen.“ Jenseits dieses Brückenschlags ist die nun realisierte Filmvertonung eine kleine Sensation, nicht nur mu- sikalisch. Immerhin ist damit ein Kinoklassiker aus der Zeit der Weimarer Republik zu erleben, der lange Zeit unbeachtet im Filmarchiv der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung geschlummert hat. Friedrich Zelnik hat darin das Drama „Die Weber“ von Gerhard Hauptmann verfilmt. Das Ergebnis gilt als eine der besten deutschen Hauptmann-Filmadaptionen. In Augsburg ist sie nun frisch digitalisiert zu erleben.
Vor drei Jahren hatte der damalige Operndirektor Ralf Waldschmidt diesen Stummfilm bereits im Murnau-Archiv entdeckt und bei Johannes Kalitzke, den er schon von früheren Projekten her kannte, angefragt, ob er aus dem Stoff eine Oper schöpfen könne. Doch das erschien Kalitzke wegen des schwer verständlichen schlesischen Dialektes kaum machbar. Schließlich nahm er den Auftrag für eine Filmmusik an. Auch das hatte für den Komponisten jedoch seine Tücken, umso mehr als Kalitzke nun, in Vertretung von Dirk Kaftan, auch noch das Dirigat zufiel.



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