Der gebürtige Lindauer Maler Dieter Krieg (1937-2005) hat nie viel Aufhebens um sich gemacht. Er gehörte zu den eher leisen, stillen Künstlern und war doch einer der bedeutendsten deutschen Maler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Alltägliche mit dem Existentiellen, mit der Literatur und der Sprache zu verknüpfen und durch die Kraft der Farben leuchten zu lassen, machen das Faszinierende seiner Großformate aus. Maya Heckelmann, Kuratorin der Krieg-Ausstellung im Künstlerhaus Marktoberdorf, über einen Künstler, der das Wesentliche suchte.
Dieter Krieg ist ein Meister des großen Formats. Seine Themen sind dagegen auf der Bedeutungsebene alles andere als „groß“: Spiegeleier, Bierdeckel, Putzeimer, Klotüren. Banale Alltagsgegenstände werden in monumentalem Großformat auf die Leinwand geworfen. Die profane Dingwelt unbeachteter, wertloser Gebrauchsgegenstände ermöglicht ihm als Maler die größtmögliche Freiheit – die Ikonographie wird nebensächlich, der malerische Impetus zum eigentlichen Bildinhalt. Gleich einem Vulkanausbruch schieben sich die Farbmassen wie flüssige Lava über den Bildträger. Die Spuren des Malvorgangs – Schlieren, Pinselstriche, Spachtel-, Hand- und Fußspuren – sind überall auf der Bildfläche sichtbar. Die Arbeiten entstehen auf dem Boden. Der Malprozess ist Dieter Krieg enorm wichtig und soll auch für den Betrachter sichtbar sein, so drücken sich Keilrahmen und Holzverstrebungen nicht selten auf der Vorderseite des Bildes durch. Dieter Krieg will keinen illusionistischen Bildraum erschaffen. Distanzlos zwingen einen seine Gemälde zur direkten Konfrontation.
Die dargestellten Gegenstände sind keineswegs willkürlich gewählt, sie gehören einem Bildvokabular an, das Krieg über Jahrzehnte hinweg benutzt und fortentwickelt hat. Hinter vordergründig Alltäglichem verstecken sich existenzielle Aussagen.
Die Möwe – ein fliegender Vogel mag als Freiheitssymbol gedeutet werden – steht dem Wort „Sucht“, der Abhängigkeit und Unfreiheit gegenüber. Stets ist da das Kraftfeld der Literatur und der Sprache, dessen sich Krieg in seiner Malerei bedient. So verweist etwa die monumentale Bank, die einen an der zentralen Wand im Künstlerhaus begrüßt, mit dem über ihrer Sitzfläche schwebenden Wort „Wartn“ auf Samuel Becketts Theaterstück „Warten auf Godot“, wenn man die Vorzeichnung zu dieser Arbeit kennt, die mit „für Watt“ beschriftet ist und ebenfalls als eine Hommage an Beckett bzw. seine Novelle „Watt“ anzusehen ist.



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