Die Regulierungswut der Behörden treibt im Baugewerbe so viele Stilblüten wie an anderer Stelle vermutlich nur noch im deutschen Steuerrecht. Doch es gibt pragmatische Lösungen, mit denen man Stück für Stück ansetzen könnte. Im edition:schwaben-Expertengespräch wird klar: Wir sind in einer Krise, doch die Chancen sind zahlreich.
Christian Hutter: Die Bauwirtschaft steckt seit gut zwei Jahren in einer tiefen Krise. In unserer Architekturausgabe 2023 hatten Experten bereits prognostiziert, dass uns ein „Tal der Tränen“ bevorsteht. Sind wir dort nun angekommen?
Gabriele Seidenspinner: Das ist eine gute Frage. Sicher ist, dass wir eine überraschend lange Hochphase hatten. Generell geht der Markt ja immer rauf und runter. Trotzdem müssen wir wahrscheinlich umdenken – nicht nur im Gewerbebereich, wo die Nachfrage nach Büroflächen zurückgeht. Ich bin aber nicht so negativ. Ja, es geht uns nicht so gut wie vor fünf Jahren. Aber vielleicht muss das jetzt ja so sein. Das hat auch etwas Marktbereinigendes.
Christoph König: Wer jetzt im Tal der Tränen ist, hat in den vergangenen Jahren über seine Verhältnisse gelebt. Wer dagegen eine solide Strategie hat, wird am Markt bleiben. Bei unseren hochpreisigen Einfamilienhäusern haben wir überhaupt keine Schwierigkeiten, Käufer zu finden.
Hutter: Tatsächlich? Neubauten in dieser Größenordnung werden also doch immer noch finanziert?
König: Die Käuferschicht, von der ich spreche, ist in der glücklichen Situation, keine oder nur eine geringe Finanzierung zu benötigen. Diese Leute legen großen Wert auf Qualität und die Historie der ausführenden Baufirma. Es geht also schon noch was. Und genau diese Aufbruchsstimmung brauchen wir. Denn die Privatwirtschaft bewegt sehr viel – trotz der Schwierigkeiten, die uns oftmals von politischer Seite in den Weg gelegt werden. Außerdem werden auch die Investoren das Bauen wieder für sich entdecken,
wenn das Festgeld wegen sinkender Zinsen an Attraktivität für die Geldanlage einbüßt.
Alexander Gumpp: Der Einfamilienmarkt geht tatsächlich zurück. Das ist aber überhaupt keine Überraschung. Das Einfamilienhaus hat zwar weiterhin seine Berechtigung, wird aber immer mehr zur Wohnform für Wohlhabende, die es sich finanziell auch leisten können. In unserem Holzbauunternehmen haben wir aber nach wie vor viel stärker mit dem allgemeinen Mitarbeitermangel zu kämpfen als mit fehlenden Aufträgen. Es kommt uns jetzt zugute, dass wir uns schon vor Jahren festgelegt haben, vorwiegend für Bestandshalter zu bauen – also für diejenigen, die am Ertrag der Immobilie Geld verdienen.