Kirchen sind meist komplexe Baukörper. Im abendländischen Kulturkreis hat man es sehr oft mit jahrhundertealter Architektur zu tun, die von einer nicht immer geradlinig kontinuierlichen, sondern von einer eher wechselvollen Bau- und Ausstattungsgeschichte geprägt ist. Neben und in dieser Geschichte kommt dann – wenn man so sagen darf – noch eine spirituelle Komponente zum Tragen, in der sich das Gebäude nochmals widerspiegelt und zugleich definiert. Gemeint sind damit die durch die Jahrhunderte vollzogenen, unzähligen religiösen Handlungen und Gebete einer Gemeinschaft sowie einzelner Menschen, die einen solchen Raum durchwirken. So kann durch Raum und Zeit Sakralität entstehen, erfahrbar als Atmosphäre einer größeren Wirklichkeit, über die nicht verfügt werden kann und die sich doch wiederum auch in einem ganz konkreten, individuellen Raum manifestiert. Einem solchen Raum nähert man sich nur mit einer behutsamen Aufmerksamkeit.
Was für den Kirchenraum im Allgemeinen gilt, trifft auch auf die Augsburger Moritzkirche zu. Damit ist der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen die Sanierung und Neugestaltung unserer Kirche ihre Identität finden muss. Wie aber fängt man so ein Projekt an? Zunächst geht es immer darum, im weitesten Sinne Gemeinde vor Ort aufzubauen und zusammen mit dieser Gemeinde eine Sensibilität für das zu entwickeln, was über die Jahrhunderte gewachsen ist. Die Moritzkirche gehört mit ihrer beinahe tausendjährigen Geschichte zu den Urpfarrkirchen der Stadt Augsburg. In den vergangenen zehn Jahren ist vieles zur Erforschung dieser Geschichte unserer Kirche geschehen. Vor allem im Hinblick auf die mittelalterliche, reformatorische und auch auf die nachreformatorische, barocke Phase konnten viele neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Die große Zäsur in der jüngeren Vergangenheit ist die beinahe vollständige Zerstörung der barocken Innenausstattung im Zweiten Weltkrieg – eine in gewisser Weise traumatische Erfahrung, die bis heute nachwirkt. Beim Wiederaufbau durch den großen Kirchenbaumeister des 20. Jahrhunderts, Dominikus Böhm, wurde die Innenausstattung nie ganz vollendet, wobei das Vorhandene dann in den darauf folgenden Jahrzehnten immer wieder Veränderungen erfuhr. So zeigte sich seit den 1980er-Jahren äußerlich zwar ein sehr klarer, beinahe schon unauffälliger, im Inneren jedoch uneinheitlicher Kirchenraum, der eine in sich schlüssige, gestalterische Programmatik, wie sie die Kirche noch in ihrer barocken Ausstattung besaß, vermissen ließ.
Zwei Ziele standen im Vordergrund: die Renovierung und die Neugestaltung des Raumes im Rahmen eines in sich stimmigen Gesamtkonzeptes, die sowohl die historische Bausubstanz der Moritzkirche für die Gläubigen neu erlebbar machen als auch einen modernen Raum der Spiritualität schaffen sollte. Es galt, den imposanten Raum der dreischiffigen romanischen Basilika mit dem später angebauten, hohen gotischen Chor, mit den barocken Fensteröffnungen sowie den Kuppeln des 20. Jahrhunderts sprechen zu lassen und dabei die noch vorhandene, größtenteils hochwertige Ausstattung ihrer Bedeutung gemäß im Raum zu präsentieren: Das war und ist die intellektuelle und architektonische Herausforderung im Umgang mit der Moritzkirche. Im Bewusstsein der weitreichenden Geschichte dieser zentralen und von den bedeutenden Familien der Stadt Augsburg immer künstlerisch wertvoll ausgestatteten katholischen Kirche fiel die Wahl für die Planung des Projektes auf den britischen Architekten John Pawson. Gerade sein sensibler Umgang mit historischer Bausubstanz und seine reduzierten, auf das Wesentliche konzentrierten Räume waren ausschlaggebend, Pawson einzuladen. Sein Büro entwickelte zusammen mit der Kirchengemeinde in den vergangenen vier Jahren ein Konzept für den Innenraum der Moritzkirche, das auf klaren Linien, auf sorgfältiger Auswahl der Materialien und auf meis- terhaftem Umgang mit dem Element „Licht“ beruht. John Pawson zitierte in seiner Architektur für St. Moritz aus dem 1. Kapitel der Schöpfungsgeschichte: „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht!“ So wird ein Raum entstehen, der es durch seine Ausgestaltung erlaubt, im Gemeindeleben neue theologische und liturgische Schwerpunkte zu setzen.



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