Zur aktuellen Lage in der Baubranche spricht edition:schwaben mit Dominik Lange, Vorstand Peter Wagner Immobilien AG, Gabriele Seidenspinner, Vor- stand Haus & Grund und mit Wolfgang Tinzmann, Vorstand Stadtsparkasse Augsburg.
Die Bauwirtschaft ist in der Krise – in den vergangenen beiden Jahren sind wir bereits mit diesem Faktum in die Expertengespräche eingestiegen. Auch die Konjunkturumfrage der IHK vom Frühjahr 2025 zeigt: 30 Prozent der Unternehmen sprechen von einer schlechten wirtschaftlichen Situation. Wie schätzen Sie die Lage aktuell ein?
Wolfgang Tinzmann, Vorstand Stadtsparkasse Augsburg, gewerblicher und privater Individualkunden- und Spezialvertrieb: Ich sehe das für die Region Bayerisch-Schwaben und für Augsburg nicht so dramatisch. Die Bauunternehmen und mittel- ständischen Immobilienunternehmen, darunter viele Familien- unternehmen, haben über viele Jahre solide gewirtschaftet, sind daher stabil aufgestellt und können mit Krisen umgehen. Im Neubaubereich werden derzeit nur wenige Projekte realisiert. Das liegt daran, dass Grundstückspreise und Baukosten hoch sind. Zum anderen vergeht nach wie vor viel Zeit, bis eine Planung genehmigungsfähig ist, teilweise sind Projekte mehrere Jahre in der Warteschleife. Und als Bauträger im Wohnungsbau muss man eine gewisse Quote an gefördertem Wohnraum an- bieten. Wenn die Fördermitteltöpfe leer sind, rechnen sich viele Projekte nicht mehr. Das Thema Förderung ist deshalb aus meiner Sicht ein wichtiges und relevantes.
Das aktuelle Verhalten in den Unternehmen würde ich eher als ein Sortieren und Priorisieren bezeichnen. Es wird weniger gebaut, dafür austariert und geprüft: Lohnt sich das Projekt? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Gabriele Seidenspinner, Vorstand und Geschäftsführung Haus & Grund: Ja, Bauen und Wohnen sind teuer, das Vermieten ist zu bürokratisch und unrentabel. Rund 80 Prozent des Wohnungsbestands liegt in der Hand privater Eigentümer. Das ist politisch auch so gewollt, die soziale Verantwortung auf Einzelpersonen zu verlagern. Aber: Der Wohnungsbau ist nach wie vor durch hohe Vorschriften, Bürokratie und langsame Genehmigungsverfahren gehemmt. Die privaten Bauherren sind zunehmend überfordert von diesen regulatorischen Anforderungen. Hinzu kommt, dass Kommunen und Bauverwaltungen organisatorisch und personell überlastet sind. Es fehlt an Personal, das Bauanträge bearbeiten kann. Dadurch verzögern sich kleine Projekte für Privatpersonen. Auch die Widersprüche der Politik, Stichwort: Ökologie versus Wohnraum, und Beschlüsse, die gefällt und wieder zurückgenommen werden, verunsichern und frustrieren die Bürger. Viele Akteure haben das Gefühl, dass ständig neue Regeln eingeführt und wieder verworfen werden. Auch wenn in Augsburg die Lage viel stabiler ist – Märkte in Berlin, Hamburg oder Frankfurt sind von der Krise viel stärker betroffen – sind an diesen Stellen Verbesserungen gefragt, um das zentrale Thema der Wohnungs- not besonders mit Blick auf bezahlbaren Wohnraum anzugehen.
Das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ der Bundesregierung hatte einmal 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zum Ziel. 175.000 werden es nach Prognosen des ifo Instituts 2026 nun im schlechtesten Fall. Der Wohnungsbau-Turbo, der bis 2030 gelten soll, setzt auf Effizienz durch Bürokratieentlastung und soll den Wohnungsbau jetzt ankurbeln – auch die Verlängerung der Mietpreisbremse soll helfen.
Seidenspinner: Die Diskussion sollte an viele Punkte anknüpfen. Wenn das Baugenehmigungsverfahren vereinfacht wird, stellt sich die Frage der letztendlichen Haftung und Verantwortung, wenn gesetzliche Vorgaben nicht eingehalten werden. Die der- zeit langen Bearbeitungszeit liegen im Übrigen oft nicht an den Bearbeitungszeiten des Bauordnungsamtes, sondern daran, dass Bauherren zahlreiche Vorgaben einhalten und entsprechende Unterlagen und Gutachten einreichen müssen. Erst wenn diese vollständig vorliegen, kann das Bauamt entscheiden. Man sollte sich eher überlegen, ob man die bestehenden Regeln nicht überdenken und anpassen muss – bevor man sich mit neuen Vorschriften selbst blockiert. Und: Das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren, der sogenannte Bau-Turbo, verlagert ja die Verantwortung teilweise vom Staat auf den Bürger, d. h. der Bauherr darf in Eigenverantwortung bauen – solange er sich an alle Vorschriften hält. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass dann rechtlich alles einwandfrei ist. In der Theorie wird das Verfahren beschleunigt, in der Praxis kommt es dann aber nachträglich ggf. zu Streitereien mit Nachbarn, Problemen mit Denkmalschutzauflagen usw. Es benötigt wirklich wieder mehr Planungssicherheit, Rechtssicherheit und langfristige Klarheit. Und zum Thema Mietpreisbremse. Sie ist kein Allheilmittel, im Neubaubereich greift sie beispielsweise gar nicht. Wir sehen auch, dass viele Vermieter ihre Mieten anheben, wenn das Thema wieder politisch kommuniziert wird, die Bremse ist hier dann oft eher ein Treiber.
Wie wirkt sich diese Unsicherheit auf dem Markt auf Immobilien als Anlageform aus?
Dominik Lange, Vorstand Peter Wagner Immobilien AG: Da wird ganz klar geschaut: Was ist das für ein Grundstück? Welche Nutzung ist möglich? Ist das Grundstück überhaupt geeignet, um jetzt oder in naher Zukunft entwickelt zu werden? Es geht viel um Standortqualitäten, die Entwicklung des Quartiers, Mobilität. Und die Frage des richtigen Zeitpunkts: Warte ich lieber noch oder baue ich jetzt gleich?



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