Fast vierzig Jahre seines Lebens hat Wolfgang Oberressl (75), unser Autor und Gründer der edition:schwaben, in Augsburg verbracht. In einer Stadt, von der er bis heute nicht weiß, ob er in ihr jemals angekommen ist, obwohl er dort viele der faszinierendsten Jahre seines Berufslebens verbracht und sein persönliches Glück gefunden hat. Er ist immer wieder überrascht, wie es Augsburg gelingt, sich selbst im Weg zu stehen und seine Chancen nicht wahrzunehmen. Dabei steht in seinen Augen Augsburg viel besser da als das oft zur Überheblichkeit neigende und selbstverliebte München. Was die Lebensqualität betrifft, zieht er die Stadt am Lech ohnedies der Isarmetropole vor. Zumindest bei diesem Thema dürfte er die Zustimmung der Augsburger finden.
Schwimmen in Augsburgs Kanälen. Kostenloses Badevergnügen in immer frischem Lech- oder Wertachwasser. Danke Augsburg!“ lässt Ulrike Krebs Anfang August alle Leser der „ZEIT“-Kolumne „Was mein Leben reicher macht“ wissen. Der frühere Vorstandsvorsitzende eines Weltmarktführers, der jahrelang in Münchens Nobelbezirk Nymphenburg gewohnt hatte, zog nach seinem Rückzug ins Private „der Lebensqualität wegen“ ganz bewusst in die Fuggerstadt. Der 34jährige Compliance Manager Philipp Ziegler, geboren in Bayreuth, dann Student in Augsburg, anschließend beruflich in Washington D.C., Melbourne und Frankfurt unterwegs, jetzt zum zweiten Mal in der Lech-Stadt zuhause, gab der Hamburger Wochenzeitschrift vor zwei Monaten zu Protokoll: „Für mich ist Augsburg das bessere München.“ Das Intellektuellen-Blatt begibt sich neuerdings auf die Suche nach Städten, „in denen es sich besser lebt und arbeitet als in Metropolen“. „Schnell im Grünen, Premium Seen, immer Platz im Biergarten“ wurden als Vorteile ohnegleichen herausgestrichen. Im Glücksatlas, der seit 2011 jährlich vom Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen am Forschungszentrum „Generationenverträge“ an der Universität Freiburg erstellt wird, rangiert Augsburg aktuell deutschlandweit auf Platz 7, während sich München
mit Platz 24 bescheiden muss. Aber ist die Stadt Augsburg, nur weil ihr die „ZEIT“ und ein Freiburger Professor die Absolution von der vielfach beklagten Mittelmäßigkeit erteilt haben, tatsächlich eine Kommune, die es mit der allseits bewunderten und gepriesenen Weltstadt mit Herz an Attraktivität und Lebensqualität aufnehmen kann?
Kann von der mitleidig belächelten „Stadt an der Jammer“ – ein zweifelhafter Titel, den vor allem die IHK Schwaben nach der Jahrtausendwende mit ihrer berechtigten, jedoch unbotmäßig vorgetragenen Kritik an der jahrelangen, mangelnden Unterstützung durch die bayerische Staatsregierung unter Edmund Stoiber provoziert und dadurch Augsburg eingebrockt hatte – keine Rede mehr sein? Hat Augsburg jüngst so an Anziehungskraft, an Niveau und Klasse zugelegt, dass sich die Schwaben neben der von der CSU über Jahrzehnte aufgepäppelten Metropole München sehr wohl behaupten können? Augsburg scheint, wenn man all die wohlwollenden Stimmen seit Beginn der 2020er Jahre bündelt, plötzlich auf einer Welle der Zuversicht zu schwimmen und sich obendrein ganz passabel in Form zu befinden. Alles in allem ein guter Grund einmal in mich zu gehen und mein Bild von jener Stadt, der ich die letzten vierzig Jahre nicht entkommen bin, zu überprüfen. Auch der auf den ersten Blick anmaßende Vergleich mit München muss gestattet sein, wenn man in den 1970er Jahren dort gearbeitet und gelebt hat, als die Stadt an der Isar zu leuchten begann.



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