Die Parole „Das Handwerk, die Wirtschaftsmacht von nebenan“ bringt das Selbstverständnis der rund 29.000 schwäbischen Handwerksbetriebe und ihrer 136.000 Beschäftigten auf den Punkt. 2014 erwirtschafteten die Betriebe mit durchschnittlich sieben bis acht Mitarbeitern – nach zwei schwächeren Jahren – einen Umsatz von 13,5 Milliarden Euro. Damit würde sich das schwäbische Handwerk – auf den Umsatz bezogen – an 15. Stelle unter den 20 größten deutschen Familienunternehmen, knapp hinter dem internationalen Medienkonzern Bertelsmann, einordnen. Stimme des heimischen Handwerks ist die Handwerkskammer für Schwaben (HWK).
Die Handwerkskammer fühlt sich keineswegs als kleinere Schwester der IHK, sondern als die Speerspitze des heimischen Handwerks. Sie maßt sich auch nicht an, wie die Industrieund Handelskammer (IHK) „das Parlament der schwäbischen Wirtschaft“ zu sein, obwohl es der Handwerkskammer eher zustünde, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer dort gemeinsam an einem Strang ziehen. Immerhin meinte der legendäre Wirtschaftsminister Karl Schiller einmal: „Die Wirtschaft sind wir alle!“
Das Agenda-Setting ist für die HWK Schwaben seit Jahren unstrittig:
– Lobbyist und erster Ansprechpartner des Handwerks zu sein,
– junge Menschen für einen handwerklichen Beruf zu begeistern,
– für die berufliche Fortund Weiterbildung zu sorgen
– und den Wirtschaftsraum Bayerisch-Schwaben mitzugestalten.
Für Präsident Hans-Peter Rauch (53) und Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner (54) alles andere als eine Sorglos-Agenda. Es bedeutet vielmehr, Tag für Tag dicke Bretter bohren.
Minus 3.600, minus 1.000 – so lauten die aktuellen Kennzahlen, die wie Mühlsteine auf dem schwäbischen Handwerk lasten. Noch scheint sich das Biotop „bayerisch-schwäbische Wirtschaft“ bester Gesundheit zu erfreuen. Doch der Schein trügt. Von Jahr zu Jahr bricht ein Stück von dem Fundament weg, das die Region zur „verlängerten Werkbank Bayerns“ (Peter Lintner, IHK Schwaben) und zu einem der stärksten Wirtschaftsräume Deutschlands gemacht hat: die Phalanx der Fachkräfte aus dem Handwerk. Den Betrieben gehen jetzt die Mitarbeiter aus, die das duale Ausbildungssystem durchlaufen haben und die über Jahrzehnte einer der Garanten für den Erfolg des produzierenden Gewerbes in Schwaben gewesen sind.Vorallem der Nachwuchs hat immer weniger Interesse, den Beruf eines „Hand-Werkers“ auszuüben. Deshalb herrscht jetzt Not am Mann bzw. der Frau.
Seit der Jahrtausendwende ist in Schwaben die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Handwerk um erschreckende 25 Prozent von 14.600 auf 11.000 im Jahr 2014 geschrumpft. Das ist ein Minus von 3.600. Die Zahl der jährlich neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse stürzte im gleichen Zeitraum von 4.926 auf 3.948 ab. Ab sofort sind es jedes Jahr – mit steigender Tendenz – 1.000 Auszubildende weniger, die in Schwaben im Vergleich zum Jahr 2.000 ein Handwerk erlernen – so die aktuellen Zahlen der Handwerkskammer. Dass Anfang November wieder 590 junge Frauen und Männer bei der jährlichen Meisterfeier der HWK Schwaben – dieses Mal in der „Big Box“ in Kempten – ihren Meisterbrief überreicht bekamen, ist nur ein schwacher Trost. Zur Jahrtausendwende waren es noch 726.



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