Winter, kurze Tage, lange Abende, Lesezeit: Wer in Augsburg und um Augsburg herum Regionales erkunden will, für den haben wir Ideen zusammengetragen.
NÖRDLINGER INSPIRATIONEN – WILHELM HAUFFS VOLKSMÄRCHEN
Im Weltbild-Verlag erschien vor nicht allzu langer Zeit eine mehrere Regalbretter füllende „Bibliothek der Weltliteratur“. Einer der „Deutschen Klassiker“: „Wilhelm Hauffs Sämtliche Werke in zwei Bänden“. Darin Märchen, die Hauffs Ruhm bis in unsere Tage getragen haben: „Die Geschichte vom kleinen Muck“ wurde schnell zum Volksgut, obschon sie in orientalischem Gewand daherspaziert. Vielfach übersetzt, gehören auch „Kalif Storch“ und „Zwerg Nase“ zur Weltliteratur. Und die Moritat vom kalten Herzen, an dessen Stelle ein Stein sitzt, lässt keinen Leser unberührt. Wilhelm Hauff (1802-1827), Sohn eines protestantischen Regierungs-Sekretarius an der Stuttgarter Residenz, zählt zur Schwäbischen Dichterschule – welche sich nicht östlich von Iller und Alb gegründet hat, sondern in Tübingen, im württembergischen Kernland. Doch Hauff, studierter Theologe, der nicht Pfarrer werden will, sein Geld zunächst als Hauslehrer verdient, später als Cotta’scher Redakteur, kehrt oft bei einer Tante in Nördlingen ein. Dort, im Ries, lernt er seine Cousine Luise lieben. 1824 wird die Verlobung annonciert, bald darauf, vor 200 Jahren also, tritt Hauff mit seinem ersten Werk als Schriftsteller in die Öffentlichkeit und nicht lange danach mit dem „Märchen-Almanach auf das Jahr 1926 für Söhne und Töchter gebildeter Stände“.
VOLKSKUNDE, GEBOREN AM LECH – VATER: WILHELM HEINRICH RIEHL
Als „glücklichste Zeit“ seines Lebens bezeichnet der Rheinländer Wilhelm Heinrich Riehl (1823-1897) – obschon später in München zum Professor und Königsberater aufgestiegen – die Jahre in Augsburg, wo er von 1851 bis 1854 als Redakteur der Allgemeinen Zeitung tätig ist. Er sollte der „schönsten Stadt in Deutschland“ (Robert Peel) in seinen „Culturstudien aus drei Jahrhunderten“ (1859) ein prächtiges Denkmal setzen – und sich selbst einen weithin bekannten Namen machen. Als es Riehl an den Lech zieht, sind die Tage von Glanz und Gloria bereits gezählt. Der Magnet der Residenzstadt München lockt an, was Rang und Namen hat, und Augsburg gerät mehr und mehr in den Schatten dieser neuen Metropole – ohne die Vitalität, Geist zu erzeugen und bar der alten Strahlkraft, Geist an sich zu binden. Mit einer Ausnahme, die ihr glücklich zufällt: Das Stuttgarter Verlagshaus Cotta, Heimat Goethes und Schillers, verlegt 1807, um der württembergischen Zensur zu entgehen, die Redaktion ihrer „Allgemeinen Zeitung“, eine Perle europäischen Geisteslebens, nach Augsburg. Seither ist die Schwabenkapitale der Ort, an dem Heinrich Heine seine Korrespondentenberichte aus Paris einrücken lässt und überhaupt eine illustre Schar an Geistesgrößen veröffentlicht. Im 19. Jahrhundert verdankt die Stadt dieser Zeitung ihre Anziehungskraft auf kluge Köpfe. Der Glanz von Cottas Intelligenzblatt leuchtet weiter in Büchern wie Heines „Französische Zustände“ (1833), in den Russland-Korrespondenzen des Deutschbalten Aurelio Buddeus und in Friedrich Lists Werk „Das nationale System der politischen Ökonomie“ (1841), dessen Autor sich beim Herausgeber dafür bedankt, dass er viele Gedanken „in seinem berühmten Blatte“ erproben durfte. Ähnliches gilt für Riehls „Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Social-Politik“ – der berühmte Band „Land und Leute“, Gründungsmanifest der Volkskunde, ist ganz und gar ein Augsburger Kind (und als einziges der Riehl’schen Werke heute noch im Handel erhältlich). Riehl schreibt – so sein Selbstanspruch – als „Wanderer und Journalist“.