Anmerkungen zur Galionsfigur der schwäbischen Grünen und wie man mit einem Wählervotum im einstelligen Bereich mehr als drei Jahrzehnte Karriere in der Politik und die Politik zum Beruf macht.
8.Oktober 2023. Kurz nach 18 Uhr. Die erste Prognose für die Wahl zum Bayerischen Landtag flimmert über den Bildschirm: CSU 37,0 Prozent, Grüne 16,0 Prozent, AfD 15,0 Prozent, Freie Wähler 14,0 Prozent, SPD 8,5 Prozent, FDP 3,0 Prozent. Im BR-Wahlstudio bitten die Moderatoren Birgit Kappel und Achim Wendler ein politisches Sextett um eine erste Bewertung der Zahlen. CSU-Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber darf als Vertreterin der nach wie vor stimmenstärksten Partei als Erste ran. Ihre Einlassungen klingen so, als hätte die CSU die Wahlen überlegen für sich entschieden. Insbesondere Parteichef Markus Söder habe „ein starkes Zeichen“ abgeliefert. Die Grünen liegen zu diesem Zeitpunkt mit prognostizierten 16 Prozent noch auf Platz 2. Also darf die First Lady der bayerischen Grünen, Claudia Roth, obwohl sie gar nicht zur Wahl stand, als nächste vor das BR-Mikro. Aber dieses Mal gibt sich der sonst so überschäumende Paradiesvogel der Grünen ungewohnt leidenschaftslos, so als schwante ihr bereits, dass ihre Partei am späten Abend wie ein gerupftes Huhn dastehen würde. Der Auftritt der Kulturstaatsministerin war ernst. Und es war ihr auch ernst, angesichts der prognostizierten 15 Prozent für die AfD. Der silberblonde Bubikopf, schlicht in einem Etui-Kleid in dunklem Anthrazitgrau, appellierte deshalb sofort an
die CSU, „die gemeinsame Aufgabe“ wahrzunehmen, also doch noch eine Koalition mit den Grünen zu erwägen
und dadurch „die Demokratie zu stärken.“ Da fiel also auch an diesem Wahlabend gleich jenes Stichwort, das in all den 40 Jahren ihrer politischen Umtriebigkeit Claudia Roths Herzensanliegen war: für eine liberale, streitbare Demokratie einzutreten und diese bedingungslos gegen jede Unbill zu verteidigen.



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