Ausgabe 02/2015 · Feuilleton

Glückliche Zwangsehe

Julika Jahnke im Gespräch mit Maria Viktoria Linke und Oliver Brunner, die seit 2014 gemeinsam das Schauspiel am Augsburger Theater leiten.

Sie haben einander nicht ausgesucht. Und doch müssen sie tagtäglich – oft bis in die Nacht hinein – Hand in Hand arbeiten. Ihre Chefin, die Intendantin Juliane Votteler, hat es so entschieden, nachdem Markus Trabusch die Schauspielleitung aufgab. Maria Viktoria Linke spricht spöttelnd von einer „glücklichen Zwangsehe“ und fügt gleich hinzu: „Ich bin sehr glücklich darüber.“

edition:schwaben: Die Zeit der Alleinherrschaft ist vorbei, als Duo stehen Sie an der Spitze des Schauspiels. Wie kommen Sie damit zurecht?

Maria Viktoria Linke: Ich finde es unheimlich angenehm, im Team zu arbeiten. Wir inspirieren uns gegenseitig, jeder hat auch mal andere Schwerpunkte und man kann sich neu befeuern. Uns verbindet eine große Leidenschaft – und auch Vertrauen.

Oliver Brunner: … und Humor.

Maria Viktoria Linke: Und es ist natürlich herrlich, wenn man nicht allein da ist, sondern immer einen Gesprächspartner hat.

Oliver Brunner: Wir haben wirklich die gleiche Wellenlänge, das haben wir schon bei den Vorbereitungen der Spielzeit gemerkt. Außerdem ist jetzt immer jemand präsent, die Schauspielleitung ist eigentlich immer abrufbar. Denn Maria inszeniert ja auch viel.

edition:schwaben: Wie hat das Schauspielensemble darauf reagiert?

Oliver Brunner: Wir haben ja am Anfang sozusagen „gemeinsame Kinder“ übernommen. Das ist absolut ungewöhnlich, dass man ein Ensemble quasi komplett übernimmt. Da haben uns die Schauspieler natürlich erst mal getestet: „Red ich erst mal mit Maria oder frag ich dann den ‚Papa‘, wenn ich das so nicht kriege.“

Maria Viktoria Linke: Das sagst du jetzt so, ich will aber nicht als die „Mama“ des Ensembles bezeichnet werden (lacht).

Oliver Brunner: Nein, ich auch nicht als der „Papa“ des Ensembles, auch wenn ich mich manchmal wie der Herbergsvater fühle … Jedenfalls, da stehen wir beide geschlossen da und da kommt man auch nicht dazwischen.

edition:schwaben: Das heißt, es gab durchaus Versuche, Sie gegeneinander auszuspielen?

Oliver Brunner: Genau das meinte ich. Maria hat ja den Vorteil, dass sie auch selbst inszeniert und so das Ensemble noch intimer kennt. Und das muss auch so sein. Denn wir fordern das Ensemble zwar, aber wir fördern es auch. Und durch dieses Kennenlernen beim Inszenieren ist viel Neues gewachsen, auch an Vertrauen. Wie wir besetzen, wem wir welche Rollen zutrauen – das hat sich gut entwickelt. Genutzt haben wir das auch jetzt gerade in unserem „Gefühlscamp“ zwischen Brecht-Bühne und Großem Haus. Wir haben die Schauspieler aufgefordert, eigenverantwortlich Projekte zu entwickeln und ich bin ganz begeistert, wie gut das funktioniert hat.

Maria Viktoria Linke: Dieses Motto des Gefühlscamps, „Spielraum Mitte“, steht auch für unsere Spielzeit. Es geht uns darum, Spielräume anzubieten, dem Publikum die Möglichkeit anzubieten, mit uns ins Gespräch zu kommen. „Mitte“, das soll hier „im Herzen der Stadt“ bedeuten.

edition:schwaben: Was soll ein Theater Ihrer Ansicht nach überhaupt leisten?

Maria Viktoria Linke: So ein Stadttheater muss immer viel Unterschiedliches möglich machen. Wir sind ja kein geschlossener Tempel und auch kein Museum.

Oliver Brunner: Kein Tempel der Hochkultur oder eine Instanz, die im Vorfeld bewertet, wie man Theater erzählen kann und wie nicht.

Maria Viktoria Linke: Wir interessieren uns sehr für unterschiedliche künstlerische Herangehensweisen. Und dabei geht es immer auch um die Frage: Was hat das mit uns zu tun? Alte Stoffe oder alte Geschichten abgeschlossen zu erzählen, ist gar nicht unser Anliegen, sondern es geht auch dabei immer um die Befragung unserer Zeit.

aus Ausgabe 02/2015

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