Besonders unscharf erscheint der Begriff „Heimat“ immer dann, wenn er auf die Genres Literatur oder Film angewandt wird: Denn jede filmische oder literarische „Handlung“ spielt unweigerlich in einer konkreten Umgebung, die den Protagonisten „Heimat“ ist: „Wenn Gabriel García Márquez mit ‚Hundert Jahre Einsamkeit‘ einen Roman schreibt, der eine ganz klare Verortung hat, dann ist das im Grunde genommen ja auch nicht Heimatliteratur.“
Christian Wagner, Filmemacher aus Immenstadt im Allgäu mit heutiger Wahl-„Heimat“ München, sieht sich seit seinem fulminanten Debüt „Wallers letzter Gang“ (1988) immer wieder mit der Etikette „Heimatfilm(er)“ konfrontiert. Auch er muss sich an dem schwierigen Begriff förmlich abarbeiten, rennt an gegen die „negative Konnotation“ der Gattung, distanziert sich vom „extrem schnulzigen“ Heimatfilm der 1950er-Jahre, spricht von „falschen Gefühlen“ und „Kitsch“ – und davon, „dass der neue Heimatfilm mit Gefühlen anders umgeht“. „Wallers letzter Gang“ hat für den autodidaktisch ausgebildeten Regisseur „durchaus die starke Emotionalität eines Abschieds“, versuche aber, auf Verlogenheit oder Melodramatik zu verzichten: „Deswegen hat der Film im Titel-Vorspann chinesische Schriftzeichen (‚Ewige Reise’), um eine falsche Vereinnahmung zu verhindern.“
„Wallers letzter Gang“, basierend auf dem Roman „Die Strecke“ des Pfronteners Gerhard Köpf, ist eine „Reise“ im wörtlichen wie im metaphorischen Sinne. Während sich der alte Streckengeher Waller zum letzten Mal vor seiner Pensionierung auf den dienstlichen Kontrollweg an die vertraute Bahnstrecke im Allgäu begibt, läuft ein innerer Erinnerungsfilm vor seinem und des Zuschauers Auge ab. „Sein Gang entlang der Schienen wird ein Gang durch die Zeiten“, verlautete der Pressetext: „Kindheit in den 20er-Jahren, erste Berufserfahrung als Streckengeher, Abschied vom besten Freund, der 1941 Soldat wird und nicht zurückkehrt.“ Vor allem aber das tragische, nie verwundene Scheitern der großen Liebe trägt der Wanderer als Gepäck mit auf seinem Lebensweg, der ihn immerfort durch die Allgäuer Heimat führt. Waller ist – zumindest von heute aus betrachtet – der Protagonist einer „Lebenslinie“, wie es sie in der modernen Welt nicht mehr gibt, wohl auch kaum mehr geben kann – ein Mensch, beruflich wie privat zeitlebens fest verwachsen in und mit seiner „Heimat“: Der junge Bursche geht den gleichen Weg über die Bahngleise wie der gealterte Mann kurz vor der Rente – der Film setzt diese Metapher überaus gekonnt ins Bild, indem er den Wandel von Schuhwerk und Schienenstrang als fließenden Zeitsprung zeigt.