Ausgabe SA 02/12 · Sideris Tasiadis

Ein Gesicht des neuen Deutschland

Ein Sportereignis hat das Land der Dichter und Denker grundlegend verändert: die Fußballweltmeisterschaft im Sommer 2006. „Es hat alles gepasst. Bei den Fanfesten haben Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Religionen nebeneinander gestanden und gemeinsam gefeiert.So stellt sich der liebe Gott die Welt vor, auch wenn wir in der Realität noch 100.000 Jahre davon entfernt sind“, urteilte damals der deutsche Fußballkaiser Franz Beckenbauer. Und das Sommermärchen von 2006 hält an und hat Deutschland ein neues Gesicht verpasst. Das Fußballfest war ein erfrischendes Sinnbild für Integration und wie beschwingt Deutschland seine Sportler feiert, deren Eltern aus fremden Kulturen stammen und zwischen Hamburg und München eine neue Heimat gefunden haben. Das neue Deutschland sind Fußballer wie Mesut Özil, Lukas Podolski, Sebastian Schweinsteiger, Mario Gomez oder ein Kanute wie Sideris Tasiadis, der Augsburger Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen in London. edition:schwaben hat mit dem erfolgreichen Sportler über seine griechischen Wurzeln, die Heimat seiner Eltern und über seine Beweggründe, für die deutsche Olympiamannschaft anzutreten, gesprochen.

Sideris Tasiadis’ Entscheidung, in London für Deutschland an den Start zu gehen, war keine Entscheidung gegen Griechenland. Er hat für Schwarz-Rot-Gold gekämpft, weil ihm Deutschland eine Perspektive geboten hat, weil er sich hier heimisch fühlt und in seinem Alltag das Land seiner Vorväter einfach „weit weg ist“. Er ist ein Beispiel für die völkerverbindende Idee des Sports. Erdschweres Pathos ist ihm völlig fremd, und trotzdem ist ihm die Gänsehaut über den Rücken gelaufen, als er in London hinter der deutschen Fahne ins Olympiastadion einmarschiert ist. Aber an „Siegen für Deutschland“ hat er während der glanzvollen Eröffnungsfeier im Olympic Stadium an der Marshgate Lane nicht eine Sekunde gedacht. Auch nicht während des Wettkampfs. „Germany“ kam ihm erst wieder in den Sinn, als die Siegerehrung im Einer-Canadier am Lee Valley White Water Centre anstand, und sein Name aufgerufen worden war: „Silver Medal, Sideris Tasiadis, Germany“ – fünf Worte, deren Klang er ein Leben lang nicht vergessen wird. Und ein buntes, wirres Puzzle von Bildern bemächtigt sich seiner Gedanken, wenn er von dem erhebenden Moment erzählt, als er auf dem Podest stand und die Medaille an seiner Brust baumelte: die jubelnden Zuschauer, das harte Klicken der Kameras, die Erinnerung an die harten, monotonen Trainingseinheiten, die langen Sekunden im Kampf mit den Slalomstan- gen – und sein kurzer Blick auf die deutsche Flagge, die ihm zu Ehren aufgezogen worden war. Dass er für Deutschland und nicht für Griechenland olympisches Edelmetall geholt hatte, sollte Sideris Tasiadis erst Tage später beschäftigen…

aus Ausgabe SA 02/12

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