Ausgabe 03/2013 · Ein „Konzernchef mit abgelaufenem Verfallsdatum“

High Noon an der Steinernen Furt

Ein Konzern blickt in den Abgrund: Zerstrittene Gesellschafter, die Ungewissheit über die künftige Eigentümerstruktur, ein Umsatzeinbruch von 500 Millionen Euro in fünf Jahren, der Verkauf von werthaltigen Tochterfirmen, ein finanzielles Debakel in Polen, eine überzogene Expansion im stationären Buchhandel, zuletzt zahlreiche Filialschließungen mit der Entlassung von hunderten Mitarbeitern, die Dauerbaustelle „IT-Infrastruktur“, eine über Jahre vernachlässigte Markenprofilierung, ein verstaubtes Produktportfolio und ein Konzernchef, der seit 2008 die Probleme offensichtlich nicht in den Griff bekommt, scheinen die gravierendsten Ursachen für die existenzielle Krise des Augsburger Onlineversandhändlers Weltbild zu sein. Der schärfste Mitbewerber, die deutsche Amazon, treibt hingegen Umsatz und Gewinn hoch, während Weltbild rote Zahlen schreibt. Weltbild-Chef Carel Halff hat zuletzt versucht, den Niedergang des Konzerns durch geschickte Informationspolitik den Vertretern der katholischen Kirche anzulasten. Die Verantwortung für das operative Geschäft tragen jedoch nicht die Eigentümer, sondern ausschließlich die Weltbild-Geschäftsführung.

Die Weltbild-Gruppe steht „mit dem Rücken zur Wand“, wie es ein ehemaliger Topmanager des Augsburger Onlineversandhändlers bereits im Frühsommer in vertrauter Runde formulierte. Da war es noch gut acht Wochen hin, bis die stets bestens informierte „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter dem Titel „Verlagsgruppe Weltbild akut bedroht“ von einersich abzeichnenden Insolvenz berichtete. Da Carel Halff (62), der Vorsitzende der Geschäftsführung,bisher bei der „Augsburger Allgemeinen“ und damitin der gesamten Wirtschaftsszene in Bayerisch-Schwaben medialen Bestandsschutz genossen hatte,sind kaum Nachrichten über den seit Jahren schleichendenNiedergang des Unternehmens an die Öffentlichkeit gedrungen.

Halff wurde vielmehr als Guru des Buchversandhandels gefeiert. Dabei ist die Liste seiner Versäumnisse und Fehler seit 2008 von Jahr zu Jahr länger geworden und hat schließlich das Unternehmen in jene Bredouille gebracht, in der es heute bis zur Halskrause steckt. Der Rekordumsatz im Geschäftsjahr 2007/2008 von 1,94 Milliarden Euro ist um knapp 400 Millionen Euro auf 1,59 Milliarden Euro in 2011/2012 eingebrochen. Die aktuellen Zahlen für 2012/13 hat Carel Halff bis Ende September nicht bekannt gegeben, obwohl es in der Vergangenheit stets Usus war, jeweils Anfang Juli die vorläufige Bi- lanz für das abgelaufene Geschäftsjahr zu veröffentlichen. Aus gut unterrichteten Kreisen war trotzdem zu erfahren, dass Weltbild 2012/13 nicht einmal mehr die 1,2 Milliarden geschafft haben soll und deshalb – so die „FAZ – die Hausbanken drohen, von der Fahne zu gehen und eine Insolvenz hinnehmen zu wollen. Hinzu kommt noch, dass das Unternehmen gegenwärtig zweistellige Millionenverluste einfahren soll, weil der Unternehmensumbau insbesondere im IT-Bereich „nicht recht und schon gar nicht zügig“ vorankomme. Die Weltbild-Geschäftsführung schweigt sich über die aktuelle Krise mit der nebulösen Formulierung von einer „vorübergehenden Verlustsituation“ aus, obwohl am Konzernsitz an der Steinernen Furt Feuer auf dem Dach ist. Eine besonders fadenscheinige Erklärung schob Halff nach, warum er mit den Bilanzzahlen des letzten Geschäftsjahres nicht herausrückt. Diese Zurückhaltung hänge mit der Diskussion über die künftige Eigentümerstruktur zusammen. Eine solche Schutzbehauptung hat sich in Deutschland noch kein Geschäftsführer eines Milliardenkonzerns einfallen lassen, um das wahre Ausmaß des Fiaskos nicht offenbaren zu müssen.

aus Ausgabe 03/2013

Das besondere Magazin für die erfolg-
reichen Seiten einer Region wurde
ausgezeichnet mit dem Bayrischen
Printmedienpreis 2010
.