Ausgabe 03/2012 · Feuilleton

Bruno Weil: Wie die erste Liebe!

Dirigent Bruno Weil, neuer Ehrenpräsident des Internationalen Leopold-Mozart-Violin-Wettbewerbs, über neues Beginnen: „Wenn man etwas zum ersten Mal macht, ist es eigentlich immer am schönsten.«

Das süße Glück des Neuanfangs hat Bruno Weil in Augsburg schon einmal gekostet. Als Einunddreißigjähriger trat er hier seine erste feste Stelle an und diente dem Theater Augsburg acht Jahre lang als Generalmusikdirektor. Später gestaltete er als Mitgründer und Leiter das populäre Festival »Klang und Raum«, das sich im nahen Kloster Irsee 19 Jahre lang dem historisch informierten Musizieren widmete. Nun folgt er dem Geiger Gidon Kremer als Ehrenpräsident des Leopold-Mozart-Violin-Wettbewerbs und betritt damit – als Musikmacher – wieder einmal Augsburger parkett. Julika Jahnke hat ihn in seinem Haus in Stadtbergen besucht. Zwei stattliche Katzen genießen hier vor dem Kamin die ländliche Ruhe. Im Arbeitszimmer verteilen sich Partituren, Bücher und Schallplatten über den Billardtisch und zahlreiche Wandregale. Vom Platz am Flügel aus erholt sich das Auge beim Blick über sattgrüne Pferdekoppeln.

Waren Sie überrascht, als Sie gefragt wurden, ob Sie Ehrenpräsident des Violin-Wettbewerbs „Leopold Mozart“ sein möchten?

Oh ja, das war eine Überraschung. Gidon Kremer ist ja ein Weltstar. Aber das hat mit Julius Berger zu tun, dem künstlerischen Leiter des Wettbewerbs, den ich seit Jahren kenne. Der hat mir plötzlich auf den Anrufbeantworter gesprochen. Wir haben zusammen schon viele Konzerte gemacht. Wir haben eine Wellenlänge und verstehen uns sehr gut, menschlich und musikalisch. Ich habe spontan zugesagt. Da brauchte ich nicht lange zu überlegen.

Inwieweit passt denn Ihr künstlerisches Profil zum Wettbewerb?

Das hat vielleicht damit zu tun, dass ich mich sehr viel mit historischer Aufführungspraxis beschäftige. Das spielt ja in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Ich habe seit Jahren schon angeregt, dieses Gedankengut in den Wettbewerb mit einfließen zu lassen. Und da ich mich sehr intensiv mit Leopold Mozart befasse und befasst habe, passt das sehr gut zusammen. Es gibt ja diesen fatal-fantastischen Amadeus-Film von Regisseur Miloš Forman, einen der besten Filme, die es überhaupt gibt. Aber da ist das Bild von Leopold Mozart derart falsch und negativ, dass es eine Menge Vorurteile gegen diesen Mann gibt. Die meisten stimmen nicht, wenn überhaupt eins stimmt. Und ich arbeite sehr intensiv daran – mal unabhängig vom Wettbewerb –, dieses Image von ihm aufzubessern. Daran sollte auch die Stadt Augsburg interessiert sein.

Haben Sie schon öfters mit Wettbewerben zu tun gehabt?

Nicht so viel. Weil Wettbewerbe auch Nachteile haben können. Es gibt ja junge Leute, denen es schaden kann, wenn sie plötzlich ins Rampenlicht geraten. Ebenso gefährlich ist es, wenn man nicht gewinnt oder schnell ausscheidet. Mancher bekommt dann das Gefühl, man taugt gar nichts. Dem kann ich nicht zustimmen, denn es sind ja Menschen, die das beurteilen. Denen können auch Fehleinschätzungen unterlaufen. Ich habe selbst bei Wettbewerben mitgemacht und bin bei einigen in der ersten Runde rausgeflogen. Gott-sei-dank habe ich aber auch einige gewonnen. Man muss wissen, wie man damit umgeht. Und das ist für einen jungen Menschen nicht einfach. Deshalb versuche ich, mich da mit einzubringen.

Hat Sie mehr das Thema gereizt, auch in diesem Bereich am historischen Leopold-Mozart-Bild zu arbeiten, oder der Wettbewerb an sich?

In erster Linie das Thema. Die Violinkonzerte von Wolfgang Amadé Mozart sind ja ein zentraler Teil des Wettbewerbes. Und da kann man in der Violinschule des Vaters nachlesen, wie die zu spielen sind. Sie werden aber nicht so gespielt: Das ist also eine spannende Sache.

Sie dirigieren als Ehrenpräsident die Schlussrunden des Wettbewerbs, die das Orchester begleitet, und Sie halten die Laudatio. Inwieweit kann denn da Ihre Auseinandersetzung mit der Violinschule von Leopold Mozart in den Wettbewerb miteinfließen?

Dass man sagt, wie das da drinsteht. Es ist ja nicht nur ein Buch über das Geigespielen, über Fingersätze und Bogenstriche, sondern ein umfassendes Lehrbuch der musikalischen Bildung. Da steht sehr viel drin über den guten und schlechten Geschmack. Und Geschmack nannte man im 18. Jahrhundert das, wie man Musik spielte. Was man später dann Stil nennen sollte. Dieser Geschmack, der ist verloren gegangen, wir kennen ihn nicht mehr. Also ist dieses Buch dringend notwendig, um zu wissen, wie man diese Sachen gespielt hat und wie sie gemeint waren.

Und inwieweit werden Sie sich beim Wettbewerb darum bemühen, dass solche Kriterien berücksichtigt werden?

Ich werde Ratschläge geben, sofern sie erwünscht sind. Und es geht auch nicht darum, irgendetwas Puristisches zu tun, sondern es ist eine Sicht, die Musik zu sehen. Ich kann ja die Musik auch aus der heutigen Sicht betrachten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich den Dingen anzunähern.

Was würden Sie sich denn wünschen, wie die Stadt Augsburg mit Leopold Mozart umgeht?

Ich würde mir wünschen, dass man sich mehr auf Leopold Mozart konzentriert, der ja Augsburger ist. Es ist ja nicht so, dass er nur hier geboren ist. Er hat seine gesamte Bildung und Ausbildung hier bekommen. Bis zu seinem 17. Lebensjahr. Also die ganze jesuitische Erziehung. Er sprach fließend Italienisch, Französisch, Latein und Griechisch. Die lateinischen und griechischen Zitate in der Violinschule sind nicht übersetzt. Er ist davon ausgegangen, dass man sie versteht. Er war ein unglaublich gebildeter Mann. Er war für seinen Sohn der einzige Lehrer. Nicht nur in der Musik, sondern umfassend. Das ist ja auch jetzt ein Thema des Deutschen Mozartfestes, anlässlich seines 225. Todestages: den Pädagogen Leopold in den Vordergrund zu stellen. Und der Violinwettbewerb ist ja etwas Ähnliches. Und so rege ich eben an, hier ein Profil zu bekommen, was die Mozartstadt Augsburg betrifft und was man anderswo nicht erlebt. Man sollte nicht versuchen, mit Salzburg in Konkurrenz zu treten. Das kann man nicht, weil die finanziellen Mittel nicht da sind. Sondern etwas erdenken, das man nur hier erleben kann.

Und was könnte man damit erreichen, kultur-politisch gedacht?

Das würde die Attraktivität der Stadt Augsburg enorm erhöhen. Der Wettbewerb hat ja internationale Geltung. Er ist renommiert. Er hat sich ja auch über die Jahre mit bedeutenden Preisträgern profiliert, und in diesem Sinne sollte es weitergehen.

Wie könnte denn der Leopold-Mozart-Wettbewerb strategisch ausgerichtet werden, damit er in die erste Liga der internationalen Wettbewerbe aufsteigt?

Das braucht man nicht, denn er ist schon drin in der ersten Liga. Als einziges Event hier in Augsburg. Und da geht es darum, dass es nicht stagniert, dass man nicht einfach immer so weitermacht. Man sollte sich überlegen, in welche Richtung sollte oder könnte das gehen und was unterscheidet ihn von anderen großen Violin-Wettbewerben. Aber ich weiß von Geigenprofessoren, die ihren Studenten geraten haben, noch nicht zum Leopold-Mozart-Wettbewerb zu gehen, weil er noch zu schwer für sie sei. Also die Reputation ist äußerst positiv und trifft auf weltweite Resonanz, das kann man nicht anders sagen. Da wurde gute Arbeit geleistet in den letzten Jahren oder Jahrzehnten.

aus Ausgabe 03/2012

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