Ausgabe SA 01/13 · Allgäuer Dorf

Alp-Traum

Von allem etwas, vom Wirklichen nichts.

Autor Jürgen Schmid über die Schöpfungsgeschichte eines
Allgäuer Dorfes am Ufer des Forggensees.

Die Politiker sind guter Hoffnung. Allgäu geht schwanger. Mit einem Dorf, das seinen Namen auch verdient. Gut 9.000 Jahre nachdem der Homo sapiens im Landstrich zwischen Iller und Lech seine ersten Spuren hinterlassen hat und Jahrhunderte nach der alemannischen Landnahme soll das Allgäu eine Siedlung bekommen, die der kulturellen Entwicklung der Region erstmals gerecht werden soll. Investoren aus Tirol wollen am Ufer des Forggensees ein „Allgäuer Dorf“ gründen mit allem, was dazu gehört. Doch Ziel des Vorhabens ist nicht, wie am Beginn der Besiedelung für die Allgäuer neuen Wohnraum zu schaffen, sondern ein architektonisches Sammelsurium aus Freizeitpark, Hotelanlage, Freilichtmuseum, Messegelände, Outlet-Center und Handwerker-Zoo. Mit den Einheimischen als haupt- und nebenberufliche Schausteller, die den Besuchern zu Diensten sind, die dort das wahre Allgäu suchen und besichtigen wollen.

Der Zweckverband Allgäuer Land hat sich in den Kopf gesetzt, zusammen mit dem österreichischen Generalunternehmer Geisler & Trimmel einen Komplex zu erschaffen, der als „lebendiges Schaufenster“ der Region bis zu 450.000 Besucher im Jahr anlocken soll. Die Innsbrucker Holding steht für die Realisierung großer Hotelprojekte im Alpenraum – Wellness-Anlagen, Komfort, Eventbereiche und das Plastikwort „Authentizität“ dürfen in den Projektbeschreibungen selten fehlen. Wer in die Zukunft des „Allgäuer Dorfes“ am Forggensee schauen will, muss sich aber auch vergegenwärtigen, dass das „Eifeldorf Grüne Hölle“ am Nürburgring, dessen Pleite fast die gesamte rheinlandpfälzische Landesregierung zu Fall gebracht hat, ebenfalls von diesem Büro konzipiert wurde – das sollte die Kommunalpolitiker im Allgäu nachdenklich stimmen. Noch im Februar 2013 verkündete das Unternehmen auf seiner Website ebenso stolz wie – angesichts des bereits vollzogenen Scheiterns – völlig unsinnig, das Eifeldorf „wird die neue Partymeile“ am Nürburgring.

Die Homepage www.allgauerdorf.com eröffnet ihre Startseite mit einem Triptychon aus bärtigem Senner bei der Käseherstellung, Tracht tragenden Menschen beim Almabtrieb mit blumengeschmückter Kuh und Schloss Neuschwanstein.

aus Ausgabe SA 01/13

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