Ausgabe 04/2024 ·

Hier ist jeder Lebkuchen ein Unikat

Die Patisserie Dolcier fertigt im schwäbischen Westerheim Jahr für Jahr rund 75.000 Elisenlebkuchen-Unikate in über 45 Geschmacksvariationen. Damit stellt die kleine Familienmanufaktur die weltweit größte Sortenvielfalt her. Zeit für einen kulinarischen Besuch.

Feinste Noten von Zimt, Kardamom, Honig und Haselnüssen nehmen den Besucher beim Betreten direkt in Empfang, umgarnen ihn regelrecht und lösen die schönsten vorweihnachtlichen Kindheitserinnerungen aus. Eine Duftkomposition, die man niemals vergisst, die einen für einen Moment die Zeit vergessen lässt und die Erinnerungen an die jährliche Weihnachtsbäckerei mit den Großeltern ins Bewusstsein zurückholt. Den Zugang zum kulinarischen Lebkuchenland flankieren zwei lebensgroße, antike Nussknacker, die hier noch die Zeit bis zu ihrem Einsatz auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt überbrücken müssen. Ihnen bleibt der Zugang verwährt. Anders sieht es für uns aus: Zügig werden die obligatorischen Schutzschuhe und das Haarnetz übergestülpt und dem immer stärker werdendem, verführerischen Duft gefolgt.

IM LEBKUCHENLAND
Nüchtern und kühl sieht es in der 560 Quadratmeter umfassenden Industriehalle aus. Daran kann auch die verführerische Duftmelange nichts ändern. Statt wuseliger Weihnachtselfen sind an diesem Dienstagvormittag fünf Angestellte mit der Produktion der feinen Lebkuchen beschäftigt. Mittendrin Marcus Johannes Rau, der in dritter Familiengeneration das Unternehmen prägte. Eigentlich im wohlverdienten Ruhestand, lässt es sich der gelernte Konditormeister aber nicht nehmen, als emsiger und gut gelaunter Produktionsleiter die Qualitätssicherung immer noch im Blick zu behalten: An einer Station werden die geheimen Familienrezepturen zusammen gemischt, die dann in Portionen zu jeweils rund 130 Gramm mittig auf die klassische Oblate gesetzt werden. „Wir lassen sie vor dem Backen immer eine halbe Stunde stehen, damit der Teigfladen eine kleine Haut bekommt“, verrät Benjamin Rau eine der typischen Qualitätsspezifikationen, die Dolcier Lebkuchen von maschinellen Massenfertigungen unterscheiden und gleichzeitig dafür sorgen, dass die rundliche Form perfekt gefertigt wird. Seit 2015 leitet der 37-Jährige mit seiner Schwester Magali die Familien-Feinkost-Patisserie und gewährt bereitwillig weitere Einblicke in den Manufakturablauf: „Wir starten Mitte Oktober in die Lebkuchenproduktion. Zuerst an zwei Tagen pro Woche, dann wird der Mitarbeiterstab in den kommenden Wochen sukzessive auf bis zu 35 erhöht und auch am Samstag produziert. In der Adventszeit fertigen wir zwischen 3.000 und 4.000 Unikate pro Tag. Wir verkaufen sie nicht nur in unserem Memminger Ladengeschäft, sondern auch im Onlineshop und an unseren Ständen auf dem Ulmer und Münchner Weihnachtsmarkt, die wir täglich mit frischer Ware beliefern.“ Das übernimmt der Junior-Chef selbst, indem er sich frühmorgens hinters Steuer schwingt und die Märkte mit dem kulinarischen Nachschub beliefert. Man merkt es: Hier wird Familienzusammenhalt großgeschrieben. Und das seit mittlerweile 100 Jahren.

aus Ausgabe 04/2024

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