Ausgabe 04/2022 · Portrait

Die Äbtissin von Oberschönenfeld

Energische Schritte hallen durch den Eingangsbereich im Kloster Oberschönenfeld. Eine aufgeschlagene Bibel liegt dort, ein Kreuz ziert die weiße Wand, nach Weihrauch riecht es aber nicht. Schwester Gertrud Pesch lächelt, als sie zur Eingangstür kommt, fast wirkt sie ein bisschen scheu. Doch der feste Händedruck der 64-Jährigen zeugt keineswegs von Unsicherheit. Im Gegenteil. Sie strahlt etwas Erhabenes aus. Getrud Pesch ist mehr als eine einfache Schwester. Sie ist Äbtissin und leitet die Zisterzienserinnen­abtei Oberschönenfeld im schwäbischen Landkreis Augsburg, nahe der Gemeinde Gessertshausen. 2008 weihte Bischof Walter Mixa sie zur Äbtissin – 2.4 Jahre, nachdem sich Pesch für den Weg ins Kloster entschieden hatte. Und damit für ein Leben mit und für Gott. ,,Ich war bereit, mein bisheriges Leben ab­zugeben“, sagt sie heute. Mit nichts als zwei Koffern reiste die damals 26-Jährige an, ihr restliches Hab und Gut hatte sie verschenkt. Aufgewachsen in einer bäuerlichen Familie in der Nähe von Trier fühlte sich Pesch schon früh zum Gebet hingezogen. Besonders durch ihre sehr gläu­bige Tante kam sie mit der Kirche in Berührung. Als Jugendliche las sie Heiligenbiografien, begleitete die Tante zu Exerzitien und wurde nach der Schule Kin­derkrankenschwester, um anderen helfen zu können. Doch nach dem Examen entfernte sie sich etwas von Gott und Gebet. ,,Ich lernte das Leben draußen besser kennen. Die Freiheit dort hat mich angezogen.“ Wenn Pesch von „draußen“ spricht, meint sie das, was für viele andere einfach das alltägliche Leben ist. Sie ging zum Tanzen, verbrachte Zeit mit ihren Freunden und hatte eine Beziehung.

aus Ausgabe 04/2022

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