Dr. Peter Berndsen, Gründungsmitglied der Kanzlei Sonntag & Partner und ein Kenner der Unternehmerlandschaft, insbesondere der bayerisch-schwäbischen, zeichnet ein pessimistisches Bild: „Das gesellschaftliche Klima hat sich in den letzten 20 Jahren spürbar verändert. Es ist kälter geworden. Nehmen wir nur den Begriff ‚Soziale Marktwirtschaft‘. Diesen Begriff gibt’s nicht mehr. Ich glaube auch, dass der schwäbische Mittelständler durch den Wettbewerbsdruck der Globalisierung und durch die Digitalisierung gezwungen ist, sich den internationalen Marktmechanismen und Spielregeln anzupassen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es geht letztendlich ums Überleben.“ Trotzdem will Berndsen nicht in die Rolle eines Defätisten schlüpfen: „Ich schildere nur fest, was ich beobachte und seit Jahren erlebe! Natürlich gibt es in Schwaben noch sogenannte Bilderbuchunternehmer! Das ist aber nicht der Regelfall.“ Und tatsächlich findet ein „Wertwandel“ nicht nur in sozialen Randbereichen sondern mitten in der Gesellschaft und damit auch in den Unternehmen statt. Begriffe wie „Werteverfall“, „Wertewandel“ und „Raubtierkapitalismus“ füllen längst die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen. Sie sind jedoch keine Erfindung von fantasievollen Journalisten, sondern wurden in den 1970ern bereits von Wissenschaftlern wie Elisabeth Noelle-Neumann und Ronald Inglehart geprägt.
Inhabergeführte bzw. Familienunternehmen und ganz besonders der schwäbische Mittelstand legen noch immer Wert darauf, möglichst nicht in einem Atemzug mit globalen Konzernen genannt zu werden, die beinahe täglich für negative Schlagzeilen gut sind. Die Familienunternehmen machen die große Mehrheit, rund 91 Prozent, der 3,47* Millionen in Deutschland aktiven Firmen aus, wie die „Stiftung Familienunternehmen“ jüngst bekannt gab. Ganz gleich, ob sie einen, zwei oder 350.000 und mehr Mitarbeiter beschäftigen. Auf den Regierungsbezirk Schwaben heruntergebrochen wären dies rund 170.000 inhabergeführte oder in Familienbesitz befindliche Industrie-, Handwerks- und Gewerbebetriebe, Dienstleister, Kanzleien und Arztpraxen. Exakte Zahlen gibt es allerdings nicht, weil weder der IHK noch der Handwerkskammer belastbare Daten über die Eigentumsverhältnisse und Umsatzgrößen ihrer Mitgliedsbetriebe vorliegen.
Wenn das deutsche Bruttoinlandsprodukt seit 2011 – bis auf eine Ausnahme in 1/2013 – in jedem Vierteljahr zwischen 0,1 und 5,7 Prozent jeweils im Vergleich zu den Vorjahresquartalen zugelegt hat, müsste eigentlich in Deutschland (BIP 2016: 3.133,9 Mrd. Euro) im Großen und Ganzen alles zum Besten stehen. Doch der Boom, ausgelöst und befeuert von der Globalisierung und Digitalisierung, offenbart längst seine Schattenseiten und ist mit einem deutlich spürbaren Verlust jener unternehmerischen Werte verbunden, die den Wohlstand der Bundesrepublik begründet und die deutsche Gesellschaft von Verführungen der Populisten bewahrt hatten. Kennzahlen, die etwa das Bruttoinlandsprodukt oder die Beschäftigungsquote betreffen, stellen nur Momentaufnahmen dar. Sie sagen nichts über die Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Erfolges eines Landes aus. Vor allem dann nicht, wenn wesentliche Stakeholder seit Jahren jene Regeln permanent missachten, die unverbrüchliche Leitlinien guter Unternehmensführung gewesen sind.

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Ausgabe 03 / 2017 · Titelthema
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