Ausgabe SA 01/2015 · Architektur im Bild

VON DER HOHEN KUNST DER ARCHITEKTURZEICHNUNG

Wenn das Architekturmuseum Schwaben im Augsburger Thelottviertel sein Archiv öffnet, ergießt sich ein wahrer Strom an baulichen Highlights aus dem Landstrich zwischen Alpen und Ries über den Betrachter. Die Nachlässe so renommierter Architekten wie Michael Kurz, Thomas Wechs oder Raimund von Doblhoff bieten einen einzigartigen Einblick in die Entwurfsarbeit dieser schwäbischen Klassiker der Moderne: Von bedeutenden Projekten haben sich oftmals umfangreiche Mappen erhalten, die den langen Weg von der ersten Vorskizze bis hin zum Entwurfsplan dokumentieren. Dass die hohe Kunst der Architekturzeichnung in Zeiten von Computer-aided Design und Rendering keineswegs aus der Mode gekommen ist, weiß der Augsburger Architekt Christian Z. Müller aus seinem eigenen Arbeitsalltag anschaulich zu berichten. Allerdings sind Skizze und Zeichnung weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden, weil die meisten Bauherren doch lieber eine perfekte Computer-Animation ihrer geplanten Eigenheime sehen möchten – und weniger gerne die tastenden Versuche der Entwerfer auf verschiedenen Schichten Transparentpapier entschlüsseln wollen.

Bevor man Christian Z. Müller eine Frage stellen kann, erregt er sich schon über eine aktuelle Meldung auf Facebook. Eine Schule in Oldenburg will das Papier im Klassenzimmer komplett abschaffen, die Schüler sollen künftig nur noch auf Tablets arbeiten: „Ich halte das für Quatsch. Handschrift ist ein basales Element, sich auszudrücken.“ Einen Stift in die Hand nehmen und Eindrücke, Ideen, Gespräche zu Papier bringen, seien es Gedanken, die zu Buchstaben, Sätzen, Texten werden oder Beobachtungen, die in Strichen, Schraffuren, Figuren Gestalt annehmen – Schreiben und Skizzieren sind universale Kulturtechniken, die man bewahren und stärken muss. Für die Kunst gilt dieses Diktum allemal: Kein Bildhauer kann eine starke Skulptur formen, wenn er nicht mit dem Zeichenstift auf Du und Du steht. Dabei geht es nicht nur um Entwürfe, sondern schon um die Stufe davor – eine Schule des Sehens und der intensiven Wahrnehmung: Wie ist die Welt beschaffen, welche Materialien haben welche Oberfläche, wie ordnet sich Schönes zu einer Geometrie der Stimmigkeit? Dafür ein Gespür bekommen, davon ist Architekt Müller vom Augsburger Team-A-3 überzeugt, wird nur derjenige, der „nicht nur aus dem Handgelenk heraus fotografiert“, sondern sich die Zeit nimmt, wirklich zu zeichnen. Erst auf dieser Grundlage eines (nennen wir es) dokumentierten Sehens beginnt die eigentliche Arbeit des Architekten – wiederum am Zeichenbrett. Denn: „Entwerfen und Gestalten kann man nur, wenn man es spiegeln kann ins Zeichnerische.“

aus Ausgabe SA 01/2015

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