Ausgabe 04/2014 · Clemens Haindl 1936-2014

Der letzte Herr des „weißen Bandes“

Der langjährige Sprecher der Geschäftsführung und persönlich haftende Gesellschafter der Haindl’schen Papierfabriken KGaA starb am 4. November im Alter von 78 Jahren. Die ihm nahestanden, wussten von seiner schweren Erkrankung. Er, der nie den großen Auftritt suchte, nie Aufhebens um sich machte, zog sich zuletzt immer mehr ins Private zurück. Der Mann der leisen Töne nahm still Abschied von dieser Welt.

Der Unternehmer Clemens Haindl war ein Solitär: Das mag zwar ein großes Wort sein, doch genau in unseren Zeiten, da Profit alles ist, nur mehr mit Milliarden jongliert und unternehmerisches Ethos nicht mehr wertgeschätzt wird, ist eine solche Zuschreibung auf Clemens Haindl angebracht – und treffend. Clemens Haindl war als Unternehmer ein begnadeter Menschenfischer. Wer für ihn arbeiten durfte, tat es gern. Viele taten es mit Herzblut, weil sie sich mit ihm auf der richtigen Seite wussten. Er führte seine Firma unprätentiös, solide, jeder Inszenierung abhold. Er lebte und befolgte so etwas wie einen fortlebenden Rat des Gründers Georg Haindl: „Die Firma ernährt euch redlich, hütet sie!“

Diese Haltung wussten vor allem die Mitarbeiter im Stammwerk Augsburg zu schätzen, weil sie hautnah erlebten, welchen Respekt er vor ihrer Arbeit und ihrem Fleiß hatte. Er verhehlte nie, dass der Erfolg des Hauses Haindl mit ihnen gemeinsam erarbeitet war. Der Herr, der ein Milliardenunternehmen führte, fühlte sich unter seinen vielen Handarbeitern und den für eine Firma dieser Größenordnung wenigen Kopfarbeitern immer wohl aufgehoben. Wenn er beim jährlichen Treffen alter „Haindlianer“ in der Kantine bis spät in die Nacht mitten unter ihnen saß, war er einer von ihnen. Nicht der Herr eines Konzerns. Deshalb verehrten sie ihren „Clemens“, wie sie ihn liebevoll untereinander nannten, und sprachen stets achtungsvoll nur von „Dr. Haindl“, wenn es die Situation gebot oder gar ein Außenstehender Zeuge des Gesprächs werden sollte. Sie litten mit ihm, wenn es dem Unternehmen Haindl mal schlecht ging.

Und zweimal ging es der Firma sogar verdammt schlecht. Im Jahr 1970, als Clemens Haindl in die Geschäftsführung des Familienunternehmens eintrat und eine hausgemachte Krise die Firma in ihrer Existenz bedrohte, und 1992, als er nach dem Tod von Bruder Ernst zum Sprecher der Geschäftsführung berufen wurde. Millionen Tonnen Papier überschwemmten den Weltmarkt. Die Rohstoffpreise gingen durch die Decke. Rollendruckpapiere wurden bis zu 20 Prozent unter den Gestehungskosten verhökert. In jenen Monaten, als dem Unternehmen ein Jahresverlust von 300 Millionen Mark drohte, hätte Clemens Haindl zu seiner Mannschaft nur sagen müssen, sie möge bitte zwei, drei Monate auf ihren Lohn verzichten. Die große Mehrheit hätte es wohl widerspruchslos hingenommen, nur um ihrer Firma beizustehen, aber auch um ihrem Chef schlaflose Nächte zu ersparen.

aus Ausgabe 04/2014

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