Ausgabe 04/2013 · Bildnis des Dorian Gray

Lässt sich „Altern“ tanzen?

Das Theater Augsburg hat mit 14 fest engagierten Tänzern eine recht kleine Ballettkom- panie. Doch mit der hegt es einen ebenso hohen künstlerischen Anspruch, als wenn es hier an einem Abend 40 Akteure auf die Bühne bringen würde. In dieser Saison leistet es sich sogar eine Auftragskomposition – für eine Inszenierung, die so gewagt wie einzigartig ist. Am 1. Dezember hat »Das Bildnis des Dorian Gray« Premiere. Die Ballettmusik wurde für großes Orchester komponiert und wird live gespielt. Dabei ist außerdem ein Schauspieler, der eine der Hauptpersonen darstellt. Erst drei Wochen vor der Premiere begann die Kompanie alles zusammenzufügen.

Manche Momente haben einfach etwas Magisches. Etwa als der Augsburger Ballettdirektor Robert Conn von seinem Büro aus den Choreographen Michael Pink im nordamerikanischen Milwaukee anruft, den er für sein neues Stück verpflichtet hat. Er fragt Pink, was er gern als Stoff dafür nehmen würde. Und der nennt spontan »Das Bildnis des Dorian Gray« von Oscar Wilde. Was für eine Überraschung: Denn auch Conn hatte sich eine Favoritenliste gemacht und auf der rangiert dieser Roman an zweiter Stelle. Er hatte ihn in jungen Jahren auf Tournee gelesen und von einer Inszenierung des Stoffes geträumt. Magischer Moment Nummer zwei: Der Augsburger Generalmusikdirektor Dirk Kaftan fragt den Komponisten Tobias PM Schneid, ob er die Musik zu diesem Ballett schreiben wolle. Aber ein Stoff sei bereits ausgewählt, ergänzt Kaftan, nämlich »Das Bildnis des Dorian Gray«. Die Überraschung ist Schneid anzumerken. Denn genau dieser Stoff hat ihn schon seit 20 Jahren fasziniert. Es war kurz nach dem Studium gewesen, als er mal eine ganze Nacht lang kompositorische Skizzen zu »Dorian Gray« angefertigt hatte. Damals hatte er gerade eine Verfilmung des Romans im Kino erlebt. Seitdem hat ihn der Stoff nicht wieder losgelassen. Genauso wenig wie der Wunsch, endlich einmal eine Ballettmusik zu schreiben statt der Opern, die ihm ständig angetragen werden. So fanden sich hier also drei, die der gleiche Traum beseelte, auch wenn vor allem der Komponist und der Choreograph ihn anfangs noch auf recht unterschiedliche Weise träumten. »Wir alle haben diese Liebe zu diesem Autor, diesem Stück, diesem Ballett«, freute sich Robert Conn während der Proben. »Wir sind alle mit Leidenschaft dabei und neugierig, wie das alles zusammenkommt.« Es ist das größte Projekt, welches das Tanzensemble, seit Conn es vor sieben Jahren übernahm, nun schultert.

Wie komplex dieses Vorhaben ist, wird in den Proben im Ballettsaal spürbar, hoch oben im Theater, mit Blick über die Dächer. Konzentrierte Ruhe herrscht hier, als Patrick Howell, der den Dorian Gray tanzt…

aus Ausgabe 04/2013

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