Ausgabe 04/2015 · Wirtschaft

Der Torreigen von Illertissen

12.000 Formel-1-Fans ist die Szene wohlbekannt, wenn während eines Grand Prix ein Fahrer in die Boxengasse einbiegt und seinen Wagen sofort in der Garage parkt. Dann ist für den Piloten die Sause vorbei, und innerhalb weniger Augenblick fährt das Garagentor herunter, um den Mechanikern und Renningenieuren von anderen Teams möglichst keinen Blick auf die möglichen Ursachen für ein verpfuschtes Rennen zu gestatten. Das Tor macht in Sekundenschnelle die Box zum absoluten Intimbereich der rasenden Millionäre und ihrer Boliden. Damit das Abschotten von Fahrer, Rennwagen und Mechaniker-Crew auch zuverlässig und ratzfatz klappt, hat sich das Emirat Abu Dhabi, das neben Bahrain die äußerst glamourösen Formel-1-Rennen am Arabischen Golf ausrichtet, die Dienste des Illertissener Unternehmens Butzbach gesichert. Seit 2009 werkeln die Teams von Ferrari, Red Bull, Mercedes, Williams und Lotus während des Grand Prix von Abu Dhabi hinter Toren, die ein Hidden Champion aus Schwaben produziert.

Das schwäbische Familienunternehmen Butzbach fertigt Tore für Kunden in aller Welt.

Auf Butzbach-Tore trifft man jedoch nicht nur an Rennstrecken. Man begegnet ihnen auf internationalen Flughäfen, sieht sie an den Rampen der großen Logistikzentren oder stößt auf sie an unzähligen Produktionsund Auslieferungshallen von Industrie, Handel, Gewerbe und Handwerk. Auch in den Einkaufszentren der Städte trifft man auf Butzbach. Die Firma fertigt seit nahezu 25 Jahren ebenso erfolgreich mobile Trennwandsysteme für Ladenpassagen. Ergänzt wird die Produktpalette durch ein Fassadensystem aus Fiberglas, das etwa bei einem der schönsten Papiermuseen der Welt, dem Paper Art Museum in der japanischen Präfektur Shizuoka südwestlich von Tokyo, oder bei einem modernen Wasserturm in Luxemburg verbaut worden ist. Bei beiden Projekten sind es die Eigenschaften und die Transparenz der Fiberglaselemente, die die Baukörper förmlich schweben lassen.

Bei diesem Produkt, das vorerst nur drei Prozent zum Umsatz der Firma beiträgt, kommt Thilo Butzbach (56), der Chef des Familienunternehmens in zweiter Generation, sofort auf die Schwerfälligkeit deutscher Bürokratie beziehungsweise das Beharrungsvermögen im deutschen Bauwesen zu sprechen. Nahezu „fünf Jahre“ musste Butzbach in Deutschland „auf die bauaufsichtliche Zulassung“ für sein Fassadensystem warten, während es jenseits den Grenzen bereits Käufer fand. Und die heimischen Architekten scheinen auch nicht so innovativ zu sein, wie sie sich auf Symposien und Tagungen so gerne geben. Im Ausland sind die Architekten generell aufgeschlossener für moderne, innovative Baustoffe und Bauelemente. Vor allem, wenn die Produkte aus Deutschland kommen. Der Pritzker-Preisträger Shigeru Ban, der das Museum für japanische Papiertechnik und -kunst geplant hat, ist kein Einzelfall. Dafür gibt es in der internationalen Architektenszene Beispiele zuhauf. Aber es ist nicht nur der Bibelspruch vom Propheten, der im eigenen Land nichts gilt, der für Thilo Butzbach Ansporn ist, diesen Unternehmensbereich zu stärken und auszubauen: „Wir haben ein interessantes Produkt, das für unsere Firma weitere Wachstumschancen bietet.“ Im Marketing und Vertrieb wurden die Weichen für eine intensivere Marktbearbeitung bereits gestellt.

Das Hauptaugenmerk liegt bei Butzbach nach wie vor auf der Entwicklung, Konstruktion, Fertigung und Montage von Toren. Der Bereich Serientore bringt gut zwei Drittel und das Projektgeschäft mit Großtoren rund ein Viertel des Umsatzes von 37 Millionen Euro. Das laufende Jahr dürfte bei Umsatz und Gewinn im Vergleich zu 2014 wieder etwas besser ausfallen. Denn die letzten eineinhalb Jahre gestalteten sich für das Unternehmen erheblich schwieriger als erwartet. Die große Politik hatte Butzbach einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Als die Europäische Union im März 2014, nachdem Kremlchef Wladimir Putin im Machtpoker mit der Ukraine die Halbinsel Krim annektiert hatte, gegen die Russische Föderation Wirtschaftssanktionen verhängte, brachen Butzbach zwei fix eingeplante Großaufträge für den Bau von Hangartoren an zwei Flughäfen weg. Die Investoren, beide wirtschaftlich im Einflussbereich von Putin tätig, zogen sich zurück. Tore „made in Germany“ waren plötzlich nicht mehr gefragt. Die Auswirkungen des russisch-ukrainischen Konflikts hatten im Sommer letzten Jahres auch den schwäbischen Landkreis NeuUlm erreicht, wo Butzbach an den Standorten Kellmünz, Unterroth und Illertissen mit 387 Mitarbeitern seine Tore und Fassaden produziert.

aus Ausgabe 04/2015

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