Ausgabe 03 / 2017 · Feuilleton

Das vergessene Künstlergenie

Als Zweijähriger 1821 mit seinen Eltern zunächst von Waal in der Nähe von Landsberg am Lech nach Amerika ausgewandert und sechs Jahre später nach England übergesiedelt, hat Hubert Herkomer wahrgemacht, wovon die meisten Menschen noch heute träumen: Ab 1869 legte er als Künstler einen kometenhaften Aufstieg hin und arbeitete sich aus den ärmlichen Verhältnissen eines Schreinersohnes buchstäblich „vom Tellerwäscher bis zum Millionär“ hoch. Gegen Ende 1890 Jahre galt Herkomer sowohl in England, Amerika und Deutschland mit als der beste Porträtmaler seiner Generation. Er verkehrte in den höchsten Kreisen und erstellte ein „Who’s who“ der feinen, einflussreichen Gesellschaft. Berühmte Künstler und Wissenschaftler, Großindustrielle, hochrangige Militärs und Kleriker, der Hochadel und Angehörige der Herrscherhäuser – sie alle ließen sich von ihm malen. Er bannte sowohl die englische Königin Viktoria, an deren Totenbett er als einziger Künstler vorgelassen wurde, wie auch den deutschen Kaiser Wilhelm II. und den bayerischen Prinzregenten Luitpold auf Leinwand.

Doch Anerkennung und Erfolg brachten ihm nicht nur seine Porträts – zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlangte er für eines den stolzen Preis von 40.000 Mark, heute 800.000 Euro –, sondern auch seine sozialrealistischen Werke, in denen er seinem Publikum Szenen aus dem Leben der kleinen Leute vor Augen führte, die es sonst wohl nie zu Gesicht bekommen hätte. Herkomers Mitgefühl mit den Verlierern der Industriellen Revolution, sein Anliegen „meinen schwächeren Brüdern in der Kunst“ beizustehen, wie auch sein tatkräftiges soziales Engagement waren aufrichtig. Sein Leben lang vergaß er nicht, wie arm seine Familie gewesen war und dass sein Vater einst seinen einzigen Mantel verkauft hatte, um ihm neue Kleidung kaufen zu können.

aus Ausgabe 03 / 2017

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