Ausgabe 02/2017 · Feuilleton

Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing?

Merkwürdig, dachte ich, als ich über die Straße ging, um mich im Rathaus vorzustellen und nach links schaute, ein Theater mit einem Kirchturm – wo gibt’s denn so was? Natürlich steht die Kirche – Heilig Kreuz – hinter dem Theater, aber im ersten Moment sieht es so aus, als würde das Augsburger Theater noch ganz der alten Form entsprechen: ein Hoftheater mit Kapelle, beides untergebracht in einem Schloss. Später wurde mir die besondere Beziehung der Nachbarschaft noch viel deutlicher: Nicht nur, dass Heilig Kreuz auch ein Kloster umfasst, in welchem bis heute Dominikanermönche leben, die sich nicht selten durch die lebhafte Nachbarschaft arg gequält fühlen. Nein, auch eine Augsburger Spezialität ist hier zu finden: die katholische Kirche in engem Verbund mit ihrer protestantischen Schwesterkirche. Beide einträchtig nebeneinander in ähnlicher Architektur: gebauter Ausdruck des Augsburger Religionsfriedens. Diese Konstellation faszinierte mich vom ersten Tag meines Aufenthaltes an. Nahe gebracht wurden mir die Besonderheiten der Stadt durch die damalige Kulturreferentin Eva Leipprand. Auch das Theater kannte sie mit allen Schwachstellen. „In die Zeit Ihrer Intendanz wird wohl die lang notwendige Sanierung fallen“, sagte sie mir, „wir haben bereits damit begonnen, daher ist das Haus auch eingerüstet …“

Schon damals dachte ich: „Darüber muss man was im Theater machen, über dieses Thema des friedlichen Zusammenlebens der Religionen.“ Auch diese Idee hat eine lange Geschichte hinter sich, immer wieder aktiviert, verschob sie sich Jahr um Jahr aus den verschiedenen Gründen … nun, nach zehn Jahren bildet sie das Abschlussprojekt meiner Augsburger Jahre: Unter dem Titel „In Gottes Namen“ kommen im Juni zwei Theaterabende und viele kleine Projekte, Vorträge und Veranstaltungen zur Aufführung, vom 23. bis 25. Juni, Letzterer der Tag der Confessio Augustana, dem Tag, an welchem das Glaubensbekenntnis der protestantischen Kirche 1530 in Augsburg verabschiedet wurde.

Luthers Aufenthalt hier und seine Wirkung bis heute, nämlich die Verpflichtung, die sich diese Stadt auferlegt hat, das friedliche Nebeneinander und Miteinander der Religionen nicht nur zu behaupten, sondern dieses auch zu leben, sind Bestandteil des Recherchestücks „Unruhe im Paradies“, das Harry Fuhrmann und Christiane Wiegand mit Schauspielern des Theaters entwickelten. Das „Paradies“ ist Augsburg, eine Stadt in der man wenig von Vorurteilen oder offen ausgetragenen Ressentiments spürt.

aus Ausgabe 02/2017

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