Ausgabe 01/2018 · Feuilleton

Hausverbot in der Straßenbahn

Die bekannte Kulturjournalistin Sybille Schiller war damals mittendrin, als ein paar Augsburger meinten, sie müssten Rudi Dutschke, dem charismatischen Kopf der Studenten- und Bürgerrechtsbewegung der 1968er-Jahre nacheifern und ebenfalls gegen die starren gesellschaftlichen Strukturen, den Vietnamkrieg, die rigide Sexualmoral und die Nichtaufarbeitung des Nationalsozialismus rebellieren. „Glorifizieren oder vergiss es“ ist die Frage, die sich die Autorin 50 Jahre später stellt, weil das Aufbegehren in Augsburg – bis auf die Fronde einiger weniger – mehr Happening als politischer Protest war. Für edition:schwaben versetzte sich Sybille Schiller in ihre „wilden Jahre“ zurück.

Wann lässt mich meine Erinnerung im Stich, wo ist sie vernebelt oder verklärt, wann so unangenehm, dass mir die Schamröte ins Gesicht steigt? Denke ich an das Jahr 1968, denke ich an, ja an was denn eigentlich? An gesellschaftliche Neuausrichtung, politische Umorientierung? Nein, aber ganz bestimmt an Befreiung aus einem verlogenen Kulturbegriff. 1968 war jenes Jahr, in welchem ich den damals heißersehnten Erwachsenenstatus erreichen durfte. Just an diesem denkwürdigen Geburtstag im September war meiner Mutter nicht zum Gratulieren zumute. Mein damaliger Freund, ein Student an der Pädagogischen Hochschule, entsprach keineswegs ihren Hoffnungen, weshalb sich die elterlichen Glückwünsche auf den Satz reduzierten: „Alles Gute, ab jetzt kannst du machen, was du willst!“ Endlich durfte ich, ohne dass mich mein Vater aus der Disco Big Apple in der Gögginger Straße noch vor Mitternacht abholte, bis zur Sperrstunde bleiben.

aus Ausgabe 01/2018

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